Ein Samstag Abend zwischen Kind und Karriere…

„Mamaaaaaa, gucken wir heute Abend einen Film? So richtig gemütlich mit Knabberzeug und so?“

„Klar Schatz. Bereite schonmal alles vor, ja. Ich muss gleich nur nochmal kurz ins Heimchen. Die neue Mitarbeiterin braucht vor ihrem ersten Nachtdienst Alleingang noch schnell die Infektionsschutzbelehrung, die Einweisung der Brandmeldeanlage und die Aufzugsbefreiungseinweisung.

„Lange?“

„Nein, nur ganz kurz.“

19:30 Uhr Abfahrt

20:45 Uhr erster Anruf Kind klein.

„Mama, wir warten. Wie lange noch?“

„In 10 min fahr ich los, Schatz!“

21:10 Uhr Abfahrt.

21:30 Uhr Ankunft daheim.

Kids sind schon im Halbschlafmodus auf der Couch.

Oberschwester kuschelt sich dazu und krault die kleinen Kindsköpfe noch ein wenig.

Nachdenklich…

Jetzt hab ich vergessen, dass ich vergesse…

In unserem Heimchen lebt eine Dame, die immer gerne in der Stadt spazieren ging.

Leider findet sie in letzter Zeit nicht mehr zurück. Man kann das aber, ohne dass man ihr zu nahe tritt, gut mit ihr kommunizieren.

Also tat ich das vor einiger Zeit und bat Sie, wenn möglich nur in Sichtweite des Hauses spazieren zu gehen.

Sie gab mir ihr Versprechen.

2 Tage später erneut ein Anruf (vorsorglich steht am Rollator ein dezenter Hinweis auf ihre Wohnort), Frau Fink sei in einem bestimmten Café und bat um Hilfe.

Kurz nachdem sie wieder bei uns eintraf kam sie zu mir und sagt:

„Es ist so schlimm! Da hab ich ihrer Kollegin erst vor ein paar Stunden versprochen, nicht mehr weg zu gehen, weil ich nicht mehr zurück finde und dann vergesse ich einfach, dass ich so viel vergesse und gehe einfach los!“

 

Vielleicht muss ich doch noch mal über eine Kieselstein-Fallenlass-Maschine für die Rollatoren nachgrübeln….

 

 

One Way Ticket nach „Stadt-170km-weit-weg“

Oberschwester Hildegard sitzt den Frühkaffee trinkend im Hof. Wocheneinklang sozusagen.

Kommt eine Angehörige vorbei, grinst und spricht:

„Oberschwester Hildegard, wenn Sie das nächste mal mit meinem Vater nach „Stadt-170km-weit-weg“ fahren, dann nehmen Sie  ihn doch auch bitte wieder mit heim. Der arme Kerl musste mit dem Taxi heim fahren.“

OSH: „???“

Angehörige: „Also der Paps hat mich am Freitag angerufen und mir gesagt, Sie seien mit ihm nach“Stadt-170km-weit-weg“ gefahren, sind schick essen gegangen. Dann sind Sie weg und er musste mit dem Taxi heim fahren. Ich hab ihm natürlich direkt gesagt, dass ich am Montag ein hartes Wort mit Ihnen sprechen werde!“

OSH: „Ah okay… Ja na klar. Bei dem nächsten Ausflug dieser Art werde ich die Rücktour natürlich einrechnen!“

 

 

 

Meine Kinder

Wie aus dem „Über mich“ zu entnehmen ist, habe ich zwei Kinder.

Meine Tochter und ihren großen Bruder. Beide selbst gemacht und mittlerweile „Viertel vor 13“ und „Fünf vor 11“ Jahre jung.

Die beiden kennen es nicht anders als dass Mama, mal weniger und später mehr, arbeiten ging/geht.

Nun waren sie auf jeder Station immer mal wieder mit und lernten auch alle Leute kennen.

In einer Mini Vorlesestunde des Blogs, Freundin Erna sollte die Vorzüge des Vorlesens durch die Verfasserin persönlich genießen, las Oberschwesterchen die Vorstellung über das Heimchen vor.

Scheinbar haben die Beschreibungen der Mitarbeiter tatsächlich Hand und Fuß… Meine Kinder saßen da und konnten die Leute direkt zuordnen.

 

Schmunzelnde Grüße,

Oberschwester Hildegard

 

Liebe Haus- und Fachärzte,

wir haben eines gemeinsam: Den einen Menschen um den wir uns kümmern sollen.

Sie nennen ihn Patient, wir Bewohner.

Dieser Mensch ist zumeist schon alt und nicht selten multimorbide.

In mehr wie 60% der unseren, sind sie auch noch Demenz krank.

In der Regel wollen wir sogar das selbe: Sein Bestes!

 

Ja, Sie haben lange Jahre studiert. Einen hochverantwortungsvollen Beruf erlernt. Sie haben Wissen angehäuft, das Leben retten und Gesundheit wieder herstellen kann. Für diese Leistung können Sie auch von mir Respekt erwarten.

Sie arbeiten nicht selten unter echt argen Bedingungen, viele Patienten in immer kürzerer Zeit zu behandeln ist weiß Gott nicht einfach. Jeder dieser Menschen der zu Ihnen kommt, erwartet ja auch, dass Sie sich entsprechend Zeit nehmen.

Meine war deutlich kürzer. 3 Jahre Ausbildung, 6 Wochen Vollzeit Weiterbildung in der Palliativ Care Weiterbildung, 2 Jahre Teilzeitweiterbildung zur Pflegedienstleitung.

Insgesamt 16 Jahre Berufserfahrung.

3 Jahre Ausbildung im Akademischen Lehrkrankenhaus,

4 Jahre Reha und AHB Bereich für körperlich und geistig Behinderte sowie psychisch Kranke,

4 Jahre ambulante Pflege,

mittlerweile 5 Jahre in der Vollstationären Altenpflege, davon 4 Jahre als Pflegedienstleitung.

In dieser Zeit habe ich unzählige Patienten mit unzähligen Krankheitsbildern betreut und unzählige Haus- und Fachärzte kennen gelernt.

Von diesen habe ich Unmengen an Behandlungsansätzen erlebt und deligiert bekommen.

Ich habe auch auch Unmengen an Wissen über Krankheitsbilder und deren Behandlung und Medikation kennen gelernt.

Und noch viel mehr Zeit habe ich damit verbracht, Menschen zu beobachten, Krankheitsverläufe im Auge zu behalten und objektiv einzuschätzen.

Jeder meiner Mitarbeiter hat, wenn auch mit anderen Werdegängen, in den meisten dieser Dinge ebenfalls Unmengen an Erfahrung gesammelt.

 

Ja, wir rufen Sie an, schreiben Faxbenachrichtigungen, weil irgendein multimorbider Mensch jetzt auch noch Schmerzen hat. Weil er sich als Demenzerkrankter der sich nicht äußern kann, plötzlich im Verhalten ändert. Oder aus Millionen anderer Gründe.

Ja, wir reden Ihnen auch in Ihre Behandlungsvorschläge rein, wenn wir wissen, dass dieses und jenes bei diesem und jenem Bewohner von Ihnen bereits vormals ausprobiert wurde und im besten Fall einfach nur nichts genutzt hat.

Ja, wir werden auch angeordnete Medikamentengaben verweigern, wenn diese z.B. die Tageshöchstdosis überschreitet oder mit anderen Medikamenten nicht verträglich ist. Oder wir verlangen gar, dass Mittel umgestellt werden, z.B. von Kapseln in Tabletten/Tropfen/Sirup. Wir verlangen auch, dass Sie ordentliche Medikamentenpläne inkl. Unterschrift und Stempel rausgeben, unter Umständen verlangen wir sogar, dass das Datum bitte richtig angegeben ist.

Das alles tun wir nicht, weil wir Sie ärgern wollen oder weil wir Ihre Autorität untergraben wollen.

Vieles tun wir einfach, weil wir die letzte Verantwortung tragen, nicht Sie! Wenn wir etwas verabreichen, von dem wir wissen, dass es unter Umständen zu Komplikationen kommen kann, dann trägt der die Verantwortung, der dieses Mittel verabreicht. Nur auf einem Medikamentenplan (im schrecklichsten Fall ohne richtiges Datum/Unterschrift/Stempel) kann sich niemand von uns ausruhen.

Vertrauen Sie doch auch uns, wenn wir Ihnen etwas mitteilen. In der Regel hat es genauso Hand und Fuß, wie Ihre Erfahrungen.

Sie haben schon vieles von der Pflegefront erlebt, was Quark war? Glauben Sie mir, wir von der Ärztlichen Front auch!

Und ja, in pflegerischen Dingen sind WIR die Fachleute.

 

Wenn Sie respektvoll ernst genommen werden wollen, so brauchen Sie nur 2 Dinge tun:

1. Seien Sie sorgsam zu unseren gemeinsamen Sorgenkindern.

2. Behandeln Sie auch uns respektvoll und nehmen Sie uns ernst.

 

Jeder von uns Fachmann – auf seinem Gebiet.

 

Auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit,

Ihre Oberschwester Hildegard

 

P.S.: Danke an die vielen, vielen Haus- und Fachärzte da draußen, denen dieser Schuh nicht passt 🙂